Der Name leitet sich von dem persischen Begriff für „Hospital“ ab. Bereits Kaiser Karl der Große hatte auf dem Gelände ein Pilgerhospiz errichten lassen.

Das Areal hat eine bewegte Geschichte hinter sich und wechselte wiederholt den Besitzer. Ein für Jerusalem ungewöhnliches Wahrzeichen ist der steinerne Springbrunnen mit seinen Skulpturen auf dem Platz zwischen den Ladenzeilen, der 1903 zu Ehren der 25-jährigen Herrschaft des türkischen Sultans Abd el Hamid II. errichtet wurde.



Die deutsche evangelisch-lutherische Erlöserkirche eingeweiht

Photo: Ron Peled

Die frühesten Funde an der Stätte stammen aus der Eisenzeit. Noch in der Zeit des Zweiten Tempels befand sich das Gelände außerhalb der Stadtmauern Jerusalems. Ausgrabungen legten die Überreste von Steinbrüchen, Grabhöhlen und Tongefäßen frei – Hinweise darauf, dass das Gelände einschließlich des angrenzenden Standortes der Grabeskirche in der Antike und daher auch zur Zeit Jesu tatsächlich als Begräbnisstätte gedient hatte. Erst eine neue, durch die Römer im 1. Jahrhundert errichtete Mauer schloss den Muristan in das Stadtgebiet mit ein.

Am Nordende des Geländes hatte einst ein Tempel der Aphrodite gestanden, und im 5. Jahrhundert errichteten die Byzantiner hier eine Basilika, die Johannes dem Täufer gewidmet war. Sie wurde im Verlauf der arabischen Eroberung Jerusalems zwei Jahrhunderte später zerstört. 

Durch eine Schenkung wurde der Muristan im 11. Jahrhundert an Kaufleute aus Amalfi übertragen – die hier zwei Marienkirchen errichteten, Santa Maria Latina und Santa Maria Maggiore. Im Jahre 1099 ging das Gelände auf den Johanniterorden über (heute der protestantische Zweig des katholischen Malteserordens). Die Johanniter spielten bei der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer eine bedeutende Doppelrolle: Zunächst dienten das Johanniter-Hospital mit der Johanneskirche und zwei Klöstern der Pflege verwundeter christlicher Kämpfer und nahmen kranke Pilger und Pilgerinnen auf. Als kämpferischer Ritterorden trugen die Johanniter zur Verteidigung der eroberten christlichen Enklaven bei.

Mit dem Sieg Saladins über die Kreuzfahrer im 12. Jahrhundert wurde der Orden aus Jerusalem vertrieben. Die Bauten wurden einer moslemischen Wohltätigkeitsorganisation übergeben, die die Krankenpflege weiterführte. Nach der Eroberung Jerusalems durch die Mamelukken im Jahre 1267 und im Verlauf der im 16. Jahrhundert beginnenden Herrschaft der Türken verfiel der Komplex.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert erwarb das griechisch-orthodoxe Patriarchat den westlichen Teil des Muristan, entfernte die Überreste der Kirche Maria Maggiore und richtete dort Läden ein. Der Ostteil wurde 1869 von Sultan Abd el Hamid II. dem preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm anlässlich seines Besuches als Geschenk für seinen königlichen Vater überreicht. Die heutige Muristan Road wurde damals Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Straße benannt.

In Gegenwart seines Sohnes, des deutschen Kaisers Wilhelm II., und seiner Frau Auguste Victoria wurde hier am 31. Oktober 1898 die deutsche evangelisch-lutherische Erlöserkirche eingeweiht.



Der Muristan

Photo: Ron Peled

Heute ist der Muristan im Besitz der Evangelischen Jerusalemstiftung in Hannover. Dazu gehören neben der lutherischen Erlöserkirche auch die Martin-Luther-Schule, das Lutherische Hospiz sowie einige Läden.

Der Durchgang vom Muristan in den arabischen Basar des moslemischen Viertels trägt bis heute ein Relief des preußischen Adlers.